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Factsheet für Pflegefachpersonen
Das sagt das Gesetz:
Vorbehaltene Aufgaben umfassen
1. die Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs nach § 5 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a
2. die Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses nach § 5 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe b
3. die Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege nach § 5 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe d
(§4 Abs. 2 PflBG)
Im Pflegeberufegesetz sind in § 4 Abs. 2 vom Gesetzgeber erstmals Aufgaben definiert worden, die ausschließlich von Pflegefachpersonen ausgeübt werden dürfen. Diese werden als Vorbehaltsaufgaben bezeichnet. Mit dieser Regelung soll die Pflegequalität allgemein sichergestellt und auf Pflege angewiesene Menschen vor unsachgemäßer Pflege geschützt werden. Mit den Vorbehaltsaufgaben wird der Pflege ein definiertes Aufgabenfeld zugewiesen, in dem beruflich Pflegende volle Verantwortung tragen und vollständig autonom entscheiden und handeln dürfen.
Der Gesetzgeber bezieht den Aufgabenvorbehalt auf den Pflegeprozess als professionsspezifische analytische Arbeitsmethode der Pflege, also als das zentrale „Arbeitswerkzeug“ professioneller Pflege, ohne das Pflege nicht funktionieren kann und das daher auch in allen Bereichen der Pflege genutzt wird. Durch die Bindung der Vorbehaltsaufgaben an den Pflegeprozess wird der Kernbereich professioneller Pflege – also die nicht substituierbare Kernkompetenz der Pflege – vor unsachgemäßer Ausübung geschützt.
Die Durchführung der geplanten Pflege hat der Gesetzgeber bewusst nicht unter Vorbehalt gestellt, damit auch weiterhin eine qualifikationsbezogene sinnvolle Arbeitsteilung möglich ist. Denn nicht alle konkreten Pflegemaßnahmen erfordern eine dreijährige Ausbildung. Pflegeassistenzpersonen können also auch weiterhin unter Verantwortung einer Pflegefachperson vielfältige Tätigkeiten ausführen.
Für die Auslassung der Pflegeplanung existiert leider keine entsprechende Begründung. Nach intensiver pflegewissenschaftlicher und juristischer Beratung sind die beteiligten Experten jedoch zu der klaren Einschätzung gekommen, dass auch der Schritt der Planung der erforderlichen Pflegemaßnahmen unter Vorbehalt zu sehen ist (siehe Weidner 2021). Dafür ist maßgeblich, dass der Pflegeprozess in seiner Gesamtheit unter Vorbehalt steht – und damit auch die Pflegeplanung bereits beinhaltet.
Die Vorbehaltsaufgaben gelten ausschließlich für ausgebildetes Pflegefachpersonal, das bedeutet für alle nach dem PflBG ausgebildeten Pflegefachfrauen und -männer, egal ob sie die berufliche Ausbildung oder das Studium absolviert haben. Kolleginnen und Kollegen mit „alten“ Berufsabschlüssen nach dem Kranken- oder Altenpflegegesetz haben einen Bestandsschutz, dürfen die Vorbehaltsaufgaben also ebenfalls wahrnehmen. Einschränkungen bestehen allerdings für alle spezifisch für Kinder oder alte Menschen ausgebildete Kolleginnen und Kollegen: Sie dürfen die Vorbehaltsaufgaben zunächst nur für die jeweilige Altersgruppe wahrnehmen. Ausnahmen sind jedoch möglich.
Umgekehrt bedeutet das: Die Vorbehaltsaufgaben dürfen von Pflegefachhelfern und allen anderen Assistenzqualifikationen grundsätzlich nicht ausgeübt werden.
Die Vorbehaltsaufgaben führen unseren beruflichen Auftrag auf den Kern der Pflege zurück: Die Selbstständigkeit in der Lebensführung wiederherzustellen, zu erhalten und zu fördern ist unser Ziel.
Pflege versucht nicht, Krankheit zu heilen oder isoliert Beeinträchtigungen zu verbessern. Pflege unterstützt bei der Bewältigung der individuellen Folgen von Krankheit, Behinderung und Pflegebedürftigkeit. Das Handwerkszeug dafür ist der Pflegeprozess. Die Vorbehaltsaufgaben sind unser gesetzlich festgelegter Aufgabenbereich, in dem wir autonom entscheiden und handeln. Das ist unsere Kernkompetenz, die nicht durch andere Berufsgruppen übernommen werden kann – und darauf sollten wir uns zurückbesinnen.
Vorbehaltsaufgaben in der Pflege und die damit verbundene Handlungsautonomie sollten dazu führen, dass alle Pflegefachpersonen ihre Fachkompetenz und pflegerische Perspektive selbstbewusst und gut begründet in die Versorgung der ihnen anvertrauten Menschen einbringen. Sie sind als Stärkung der Fachlichkeit und Position von beruflich Pflegenden zu sehen – das kann vieles verändern, auch wenn man das vielleicht nicht unmittelbar sieht.
Der Pflegeprozess ist als Instrument der Profession Pflege nichts Neues. Ist er in den Abläufen einer Organisationseinheit in der Pflege mit klar definierten Zuständigkeiten implementiert, ist das eine gute Basis, die Vorbehaltsaufgaben in einer Einrichtung, einem Wohnbereich oder einer Station den gesetzlichen Vorgaben entsprechend umzusetzen. Das Gleiche gilt für ambulante Dienste.
Insbesondere die Führungsebene ist konkret gefordert, letztlich ist der Arbeitgeber in der Verantwortung, die Wahrnehmung der Vorbehaltsaufgaben ausschließlich durch Pflegefachpersonen zu gewährleisten.
Ganz ohne Herausforderungen geht es allerdings auch für Pflegende oder Praxisanleitungen in der direkten Versorgung nicht. Wenn beispielsweise in häuslichen Pflegesettings neben den Angehörigen auch eine professionelle (ambulante) Pflege in die Versorgung eingebunden ist, müssen die Pflegefachpersonen die Vorbehaltsaufgaben natürlich beachten. Hier gilt es, Verantwortung und Zuständigkeiten der professionellen Pflege sehr genau zu kommunizieren und mit den Angehörigen klare Vereinbarungen für eine bestmögliche Versorgung zu treffen.
Auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit muss bisweilen unter dem Aspekt der Vorbehaltsaufgaben neu sortiert werden: § 4 PflBG definiert einen absoluten Vorbehalt. Das bedeutet, dass wirklich niemand anderes als Pflegefachpersonen die Vorbehaltsaufgaben wahrnehmen dürfen – auch Ärztinnen und Ärzte nicht! Aber in fast allen pflegerischen Arbeitsfeldern wird tagtäglich sehr eng mit anderen Berufsgruppen zusammengearbeitet und die Versorgung immer wieder interdisziplinär neu vereinbart. Die Vorbehaltsaufgaben stärken die Position der Pflege erheblich, ihre Sichtweisen und Anliegen in diesen fachlichen Diskurs einzubringen. Vorbehaltsaufgaben sind zugleich Anspruch und Verpflichtung zur interdisziplinären Kooperation auf Augenhöhe!
Für Praxisanleitende besteht die Herausforderung darin, Auszubildenden ein entsprechendes berufliches Selbstverständnis und -bewusstsein näherzubringen, das Berufsbild – auch wenn es immer noch Kompetenzen zur Durchführung ärztlich veranlasster Maßnahmen beinhaltet – verändert sich deutlich hin zu einer sehr viel eigenständigeren Profession. Und nicht vergessen: Die Vorbehaltsaufgaben sind in der generalistischen Ausbildung wesentliches Prüfungselement der praktischen Abschlussprüfung, auch darauf muss der Pflegenachwuchs vorbereitet werden.
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Factsheet für Pflegefachpersonen
Die gesetzliche Definition orientiert sich eng an dem vierstufigen Modell des Pflegeprozesses der WHO. Dazu gehören im ersten Schritt die Feststellung des Pflegebedarfs (Assessment), im zweiten Schritt die nicht explizit in den Vorbehaltsaufgaben benannte Planung der Pflege (Planning), schließlich die pflegerischen Maßnahmen oder Interventionen – die eindeutig nicht unter Vorbehalt stehen – und die anschließende Analyse und Qualitätssicherung (Evalution). Warum die Planung nicht explizit in die Vorbehaltsaufgaben aufgenommen wurde und die eigentliche Durchführung pflegerischer Maßnahmen definitiv nicht unter Vorbehalt steht, haben wir bereits im Abschnitt zu den rechtlichen Aspekten geklärt.
Wichtig dabei bleibt: Kern der Vorbehaltsaufgaben ist der Pflegeprozess in seiner Gesamtheit, für den ausschließlich Pflegefachpersonen die Verantwortung tragen und der nicht an andere Berufsgruppen übertragen werden kann. Auch wenn Pflegefachpersonen nicht jeden pflegerischen Handgriff selbst übernehmen müssen, so tragen sie doch die Verantwortung für den Gesamtprozess und stellen ihn mit der nur ihnen eigenen Fachkompetenz sicher. Das Ziel des Pflegeprozesses und somit zentraler Inhalt der Vorbehaltsaufgaben ist nicht die Heilung einer Krankheit, sondern die Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung der größtmöglichen Selbstständigkeit in der Lebensführung. Pflege versucht nicht, isoliert Beeinträchtigungen zu verbessern. Pflege unterstützt bei der Bewältigung der individuellen Folgen von Krankheit, Behinderung und Pflegebedürftigkeit.
Im besten Fall ändert sich im pflegerischen Alltag nicht viel, sofern der Pflegeprozess in den Abläufen integriert und mit klaren Zuständig- und Verantwortlichkeiten verankert ist. Der Blick auf die Details der Vorbehaltsaufgaben lohnt sich für Pflegefachpersonen vor allem, um festzustellen, ob eine tatsächliche Umsetzung im eigenen Arbeitsfeld bereits stattgefunden hat oder wo man selbst im Umsetzungsprozess steht:
In jedem Fall sollten die Vorbehaltsaufgaben und die damit verbundene Handlungsautonomie dazu führen, dass Pflegefachpersonen ihre Fachkompetenz und pflegerische Perspektive selbstbewusst und gut begründet in die Versorgung der ihnen anvertrauten Menschen einbringen. Vorbehaltsaufgaben sind als Stärkung der Fachlichkeit und interdisziplinären Position zu verstehen.
Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung hat das Projekt „Vorbehaltsaufgaben im Krankenhaus – VAPiK“ ins Leben gerufen. Weitere Infos zu dem im Jahr 2023 gestarteten Projekt finden Sie auf der Website
Auch wenn die Umsetzung der Vorbehaltsaufgaben im Idealfall für Einrichtungen keine großen organisatorischen Veränderungen zur Folge haben dürften, da der Pflegeprozess eigentlich nichts Neues ist und meist längst Eingang in die Abläufe gefunden hat, sind sie ein Auftrag ans Pflegemanagement. Ihre vollständige Umsetzung ist nicht zuletzt Aufgabe der pflegerischen Führungskräfte.
Der Gesetzgeber bezieht den Aufgabenvorbehalt auf den Pflegeprozess als professionsspezifische analytische Arbeitsmethode der Pflege, also als das zentrale „Arbeitswerkzeug“ professioneller Pflege, ohne das Pflege nicht funktionieren kann und das daher auch in allen Bereichen der Pflege genutzt wird. Durch die Bindung der Vorbehaltsaufgaben an den Pflegeprozess wird der Kernbereich professioneller Pflege – also die nicht substituierbare Kernkompetenz der Pflege – vor unsachgemäßer Ausübung geschützt.
Das Pflegemanagement sorgt auch dafür, dass der absolute Aufgabenvorbehalt eingehalten wird. Das bedeutet einerseits die Sicherstellung, dass nur entsprechend qualifiziertes Pflegefachpersonal die Vorbehaltsaufgaben wahrnimmt. Das sind entweder generalistisch ausgebildete Pflegefachfrauen oder -männer oder Kolleginnen und Kollegen, deren „alte“ Berufsabschlüsse Bestandsschutz genießen. Einschränkungen bestehen dabei für alle spezifisch für Kinder oder alte Menschen ausgebildete Kolleg*innen: Sie dürfen die Vorbehaltsaufgaben zunächst nur für die jeweilige Altersgruppe wahrnehmen. Ausnahmen sind jedoch möglich: Wenn die faktische Qualifikation zur altersgerechten Wahrnehmung der Vorbehaltsaufgaben zum Beispiel durch entsprechende Berufserfahrung oder Fortbildung sichergestellt werden kann, ist ein altersgruppenübergreifender Einsatz möglich. In jedem Fall trägt der Arbeitgeber die haftungsrechtliche Verantwortung für einen kompetenzgerechten Personaleinsatz.
Andererseits entsteht für das Pflegemanagement daraus auch insgesamt die Verantwortung, die dafür erforderliche Fachkompetenz und kommunikativen Fähigkeiten bei den Pflegefachpersonen sicherzustellen oder zu entwickeln. Zudem erscheint es ratsam, die bisweilen sehr komplexen interdisziplinären Verantwortlichkeiten auch auf übergeordneter Führungsebene zu klären, damit eine interdisziplinäre Kooperation auf Augenhöhe gelingen kann.
Vergessen werden darf auch nicht, dass das durch Arbeitsvertrag begründete Weisungsrecht des Arbeitgebers durch die Regelungen des § 4 PflBG eingeschränkt wird. Die Gewährleistung der kompetenzgerechten Wahrnehmung der Vorbehaltsaufgaben kann durch übliche organisatorische Maßnahmen wie Stellen- oder Aufgabenbeschreibungen sowie Prozess- oder Verfahrensstandards erfolgen. Hierüber weist der Arbeitgeber den Pflegefachpersonen aktiv und verbindlich die Wahrnehmung der Vorbehaltsaufgaben zu. Umgekehrt besteht auch ein Duldungsverbot der nicht qualifikationsgerechten Ausübung der Vorbehaltsaufgaben. Daraus entsteht die Verpflichtung für den Arbeitgeber, dies durch geeignete organisatorische Maßnahmen zu verhindern. Hieraus erwächst insbesondere für die direkten Vorgesetzten eine unmittelbare Sicherstellungsverantwortung. Die Vorbehaltsaufgaben bedeuten also sowohl für Pflegefach- wie auch Leitungspersonen eine deutliche Fokussierung auf ihre ureigenste pflegefachliche Verantwortlichkeit.
Vorbehaltsaufgaben stärken die professionelle Pflege. Die Entwicklung der dafür erforderlichen Kompetenzen steht im Mittelpunkt der Ausbildung.
Der Pflegeprozess als berufsspezifische Methode ist nach den Anlagen 1 bis 4 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe (PflAPrV) zentraler Bestandteil des Kompetenzbereiches I und durchzieht auch die anderen Kompetenzbereiche. In den bayerischen Lehr- und Ausbildungsplänen für die neue Pflegeausbildung ist die Kompetenzvermittlung zum Pflegeprozess als grundlegende Arbeitsmethode folgerichtig in allen Fächern und curricularen Einheiten verortet (ISB 2020). In den für die Kompetenzentwicklung für den Kompetenzbereich I zentralen curricularen Einheiten ist eine vertiefende Auseinandersetzung mit den Vorbehaltsaufgaben verbindlich vorgesehen. Die konkrete Umsetzung kann in den Pflegeschulen natürlich variieren, grundsätzlich aber ist davon auszugehen, dass die Auszubildenden im theoretischen Unterricht entsprechende fachliche Grundlagen erhalten.
Praxisanleitende haben dann die Aufgabe, das theoretisch erworbene Wissen in konkreten Praxissituationen anzuwenden. Die Vorbehaltsaufgaben bilden sich in jedem Fach und für jeden Einsatz ab und bauen sich spiralig über die drei Jahre auf. Da sich die Vorbehaltsaufgaben unmittelbar auf den Pflegeprozess beziehen, sind sie nicht isoliert anzuleiten. Wichtig ist hier, prozesshaftes Denken und Handeln zu vermitteln und die unter Vorbehalt stehenden Schritte des Pflegeprozesses den Azubis anhand konkreter Fallsituationen immer wieder als solche explizit bewusst zu machen, beispielsweise in einer gezielten Reflexion. Im Rahmen der praktischen Fallarbeit könnten beispielsweise während einer pflegerischen Aufnahme die unter Vorbehalt stehenden Aufgaben konkret benannt und deren Bedeutung für die Sicherstellung pflegerischer Versorgungsqualität und -kontinuität herausgearbeitet werden. Hierbei sind natürlich immer auch einrichtungsinterne Regelungen und Vorgaben zu beachten.
Rein tätigkeitsorientierte Anleitungen (wie zum Beispiel „Blutdruck messen“) werden damit dem Anspruch an Anleitung in der generalistischen Ausbildung nicht mehr gerecht. Für die Praxisanleitung ist immer vorab zu hinterfragen und zu begründen, ob einzelne Schritte oder der gesamte Prozess in die Gestaltung der Anleitung einbezogen werden soll. Praxisanleitende müssen außerdem beachten, dass die Vorbehaltsaufgaben prüfungsrelevant und wesentliches Element der praktischen Abschlussprüfung sind.
Die Lehr- und Ausbildungspläne vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) für Pflegeschulen in Bayern auf Basis der Bundesrahmenpläne gibt es übrigens hier zum Download.
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