Josefine E. ist examinierte Krankenschwester und Mutter von vier Töchtern. Die 58-Jährige hat seit ihrem Examen 1983 einen starken Wandel in der Pflege miterlebt, der sie in Zweifel, zur Kündigung und auf neue Wege getrieben hat. Dazwischen stand für sie die Frage: „Was bin ich eigentlich?“ Heute ist sie in der Tagespflege Tutzing tätig und hat ihre Antwort gefunden. Welche das ist, und wie sie den Pflegewandel erlebt hat, darüber erzählt sie uns selbst!
Ich bin examinierte Krankenschwester und habe einen starken organisatorischen Wandel in der Pflege miterlebt. Nach meinem Examen 1983 habe ich erst im Krankenhaus und dann in der ambulanten Pflege gearbeitet. Als ich nach mehreren Jahren von dort wieder ins Krankenhaus zurückgekehrt bin, hatte sich einiges geändert. Es war plötzlich sehr stressig. Der Grund dafür war ein Wechsel von der Funktionspflege hin zur Bereichspflege.
In der Funktionspflege hat man zu zweit immer dieselben Tätigkeiten in allen Zimmern ausgeführt, zum Beispiel Betten gemacht oder Vitalzeichen geprüft, bis man durch die Station durch war. In der Bereichspflege hatte man dagegen drei bis vier ganze Zimmer zu betreuen, mit allem Drum und Dran. Von der Anmeldung über die Pflege, man ist immer hin- und hergesprungen und musste deshalb viel besser organisiert sein. Alles hat sich vermischt, es kam sehr viel Unruhe rein. So musste man z. B. während der Visite auch immer auf andere Zimmer gehen, wenn jemand geklingelt hat. Und nach 15 Jahren im Beruf war es mir dann plötzlich zu viel. Ich hab sogar zwischendurch aus dem Affekt heraus gekündigt.
Kurz erklärt: Funktionspflege und Bereichspflege
Bei der Funktionspflege werden Pflegeaufgaben in einzelne Tätigkeiten unterteilt. Zum Beispiel misst eine Pflegekraft nacheinander bei allen Patienten einer Station den Blutdruck oder macht nacheinander alle Betten. Bei der Bereichspflege wird die Pflege in räumliche Bereiche aufgeteilt. Pflegekräfte übernehmen dann nicht einzelne Tätigkeiten, sondern sämtliche Pflegeaufgaben, die für alle Personen in ihrem Bereich, zum Beispiel mehreren Zimmern einer Station, angeordnet sind.
Was diesen Wechsel angeht, dachte ich immer „ein Rückschritt wäre ein Fortschritt“, weil es dann wieder mehr System hätte und auch für die Patienten besser wäre. Man wird so ja gar nicht mehr fertig. Ich fühlte mich damit gar nicht wohl.
Ja und dann kam der Herr H., der Leiter der Ambulanten Krankenpflege Tutzing e. V. Diese unterhält neben einem klassischen ambulanten Pflegedienst auch eine Tagespflege vor Ort. Er hat mich gebeten, für ihn dort zu arbeiten. Da hab ich mich gefragt „Was bin ich eigentlich?“ Die Antwort kam mir erst, nachdem ich schon eine Weile in der Tagespflege gearbeitet hatte und sie war eindeutig: „Jetzt bin ich wieder in einer Pflege angekommen, wie ich sie mir vorstelle.“ Denn in der Tagespflege, wo ich jetzt bin, hat man Zeit, man muss keinen aufs WC drücken, damit er wenigstens auch mal gehockt hat. Hier ist Zeit, da galoppiert keiner durcheinander, keiner ist fahrig, keiner kommt zu kurz. Wir haben 16 bis 18 Gäste, manche kommen jeden Tag, andere nur an einzelnen Tagen. Mit meiner Tätigkeit in der Tagespflege hab ich den „Rückschritt“ gefunden, den ich gesucht hab. Einen anderen Job brauch ich jetzt nicht mehr.
„Jetzt bin ich wieder in einer Pflege angekommen, wie ich sie mir vorstelle.“
Mir war es immer wichtig, nicht abzustumpfen, sondern für die Kranken und Hilfsbedürftigen da zu sein. Es ist eine Lebensbereicherung für mich, die Leute zu kennen. Wenn man sich fragt „wie geht’s dem oder was macht der jetzt so?“, das ist doch schön.
Mit meinen sechs Enkeln und dem 85-jährigen pflegebedürftigen Schwiegervater habe ich zu Hause zwar auch genug zu tun, aber ich kann mir das gut einteilen. Ich gehe einfach gern arbeiten. Weil ich beide Seiten kenne, kann ich zur Pflege von Angehörigen nur sagen: Mit Fremden ist es wesentlich leichter als mit der eigenen Familie – weil bei zweiterer die Distanz fehlt. Die persönlichen Beziehungen und das Verhältnis fallen dann ins Gewicht. Fremde oder Außenstehende sind unvoreingenommener. Und ich glaube, man erkennt den Wert einer guten Pflege erst dann, wenn man selbst in der Situation ist.
Krankenpfleger, Lehrer für Pflegeberufe, Leiter einer Pflegeeinrichtung in Altötting
Kinderkrankenpfleger, Stationsleiter Kinderchirurgie
in Augsburg
Vereinigung der Pflegenden in Bayern
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