Ninorta A. ist 32 Jahre alt und liebt ihren Job. Die lebhafte Brünette stammt aus dem Irak, spricht vier Sprachen und arbeitet seit sieben Jahren in der ambulanten Alten- und Krankenpflege. Nach ihrem Hauptschulabschluss hat „Nino“, wie sie sich gleich vorstellt, die Ausbildung zur Altenpflegefachhelferin gemacht. Doch nach sieben Jahren wollte sie mehr: Um alle Möglichkeiten im Bereich der Altenpflege ausschöpfen zu können, hat sie die Ausbildung zur Altenpflegerin angeschlossen. Für die gläubige Christin ist der Pflegeberuf die beste Möglichkeit, nah an den Menschen zu sein. Sie sagt: „Wir verändern was.“
Pflege ist nicht unbedingt so, wie sie immer dargestellt wird. Wenn ich früher gesagt hab „ich bin Altenpflegerin“, dann kam schon manchmal sowas Gemeines wie ´was, als Windelfrau´?“ von den Leuten zurück. Als ob das alles wäre! Ich mag diesen Begriff gar nicht, aber das kommt davon, dass die Pflege zu lange nicht als so wertvoll angesehen wurde, wie sie ist. Denn wir sind für die Menschen da. Wir waschen nicht nur, wir tun etwas Gutes. Den Patienten, den Angehörigen, den Kindern. Wenn eine Enkelin zum Beispiel sieht, wie ich mit den Patienten umgehe, kann das auch ihr Verhältnis zu ihrer Oma ändern. Deshalb sage ich: Wir Pflegekräfte tun was für die Gesellschaft und wir verändern was.
Ein Arzt heilt Krankheiten, als Pflegerin heile ich die Seele.
Ich hätte mein Abitur machen, studieren, Architektin oder Anthropologin werden können, aber ich wollte mit Menschen arbeiten. Warum ich nicht Ärztin geworden bin? Ein Arzt heilt Krankheiten, als Pflegerin heile ich die Seele. Das ist es, was ich will. Viele Freunde fragen, „warum hast du nicht weitergemacht, kein Medizinstudium angeschlossen?“ Ich antworte dann: Weil ich zu wenig Bezug zu den Patienten hätte. Das wäre nichts für mich. Ich war erst letztens selbst im Krankenhaus, das war ganz schrecklich. Die Ärzte stehen so unter Druck und haben kaum Zeit für die Patienten. Ganz ehrlich: An so einen Punkt will ich nie kommen. Ich will mir die Zeit nehmen können, die ich für eine gute Betreuung und Versorgung brauche. Und bei meiner Stelle in der ambulanten Pflege ist das genau so möglich. Ich weiß nicht, ob es überall so entspannt ist, aber ich habe von meinen Kollegen auch nie was anderes gehört.
Was das Besondere an der ambulanten Pflege ist? Dass man unterwegs und nicht eingesperrt ist. In den vierzehn Jahren, die ich den Beruf schon mache, habe ich für mich herausgefunden, dass stationäres Arbeiten für mich ein No-Go ist. Man lebt in einer Dauer-routine, deshalb ist die ambulante Pflege für mich viel schöner. Die Arbeit ist vielfältiger, jeder Tag anders, man hat nie Routine. Ich kann rausfahren in die Natur, zu den Leuten, ich sehe was, komme rum. Und ich mag es auch, weil es intimer ist. Ich bin viel näher an den Menschen dran. Wenn ich Patienten zu Hause besuche, werde ich herzlicher aufgenommen als in einem Krankenhaus oder Heim. Und ich arbeite selbst- und eigenständig, bin in gewisser Hinsicht meine eigene Herrin, auch wenn natürlich andere Fachkräfte oder Ärzte ebenfalls eng miteingebunden sind.
In ein fremdes Zuhause zu gehen ist interessant. Es ist wie jemanden zu besuchen. Ich bin ein Gast in diesem Zuhause, der oft wiederkommt: am Anfang fremd, aber je öfter ich hingehe, desto mehr gehöre ich dazu. Wir werden von vielen Patienten so begrüßt, als wären wir ein Teil der Familie. Aber von uns wird auch Professionalität erwartet, dass man Abstand hält. Wir werden herzlich aufgenommen – und dennoch gilt: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus. Es ist wie in einer Beziehung, step-by-step lernt man sich kennen. Am Anfang ist man nur ein Besucher, aber irgendwann ist man die Schwester, die jeden Tag kommt.
Ein klassischer Tagesablauf, wenn es ihn so gibt, sieht folgendermaßen aus: Um 6 Uhr geht’s los in der Geschäftsstelle unseres ambulanten Pflegedienstes. Ich hole mir ein MDA-Gerät, wo alle wichtigen Daten drinstehen, schaue mir die Tour an, dann besorge ich mir die Schlüssel für die Wohnungen aus dem Safe, trinke einen Kaffee und fahre um 6 Uhr 30 zum ersten Patienten. Dann ziehen wir die Strümpfe an, ich wasche die Menschen, gebe Injektionen, messe den Blutdruck und, und, und. Das steht alles im MDA-Gerät. Die Touren sind so geplant, dass die Patienten nah beieinander sind, man fährt keine Umwege. Ich habe auch meistens dieselben Patienten, quasi meine eigenen Touren, damit die Menschen nicht jeden Tag jemand anders da haben. Ich fahre eigentlich nie weiter als zehn bis fünfzehn Kilometer.
Kurz erklärt: MDA-Geräte
Viele Pflegeorganisationen arbeiten heute mit sogenannten „MDA-Geräten“ (Mobile Digital Assistants). Diese digitalen Tourenbegleiter sind meist Smartphones oder Tablets, die mit einer speziellen Software für Pflegeorganisationen ausgestattet sind. Die Pflegekräfte finden darin alle wichtigen Informationen zu ihrer Tour, den Patienten und Bewohnern. Die Geräte helfen, die Touren gut zu organisieren und übermitteln auch aktuelle Informationen, zum Beispiel Planänderungen.
Das Beste außer dem Rauskommen und der Abwechslung ist: Wir haben die Zeit, die wir brauchen. Ich bin nicht dauernd unter Zeitdruck, die Fahrtzeiten sind gut eingeplant. Es ist stresslos. Natürlich gibt es auch schwierige Momente, wenn man reinkommt und ein Patient liegt bewusstlos auf dem Boden zum Beispiel. Da muss ich den Notarzt rufen, Erste Hilfe leisten und warten. Die anderen Patienten haben dann Verständnis für Verspätungen. Bevor ich gehe, frage ich immer: Haben Sie noch irgendeinen Wunsch? Wenn ich sehe, dass da ein Bedarf ist, nehme ich mir die Zeit. Es gleicht sich auch oft mit den Bedürfnissen anderer Patienten aus. Mal braucht der eine mehr, der andere weniger.
In der Pflege muss man auf den Menschen eingehen, diese Fähigkeit brauche ich. Nur dadurch sammle ich die nötige Erfahrung – das steht in keinem Lehrbuch. Früher mit 20 war ich der Blitz, jetzt bin ich ruhiger und entspannter. Es ist einfach die Praxis. Denn kein Mensch kann mir erklären, wie ich mit anderen umgehe, da arbeitet einfach das Herz. Ich zum Beispiel gehe sehr gern auf Menschen ein, ich mache es ihnen gerne leicht und so angenehm wie es geht und nehme immer das Schönste mit nach Hause.
Mein Tipp: mit Hauptschulabschluss in die Altenpflege
Nach meinem Hauptschulabschluss habe ich eine Ausbildung zur Altenpflegefachhelferin gemacht. Dadurch konnte ich mich weiterqualifizieren und in den vielseitigen Bereich der Alten- und Krankenpflege einsteigen. Diese Art, den Beruf zu lernen, ist ideal, wenn man noch nicht so genau weiß, ob die Arbeit als Pflegerin oder Pfleger das Richtige für einen ist, oder, wenn man in jungen Jahren noch nicht so die Orientierung hat.
Als Altenpflegefachhelferin oder Altenpflegefachhelfer steht die Grundpflege im Mittelpunkt – Waschen, Lagern, Blutdruckmessen. Als ich nach sieben Jahren meine Qualifikation erweitern wollte, habe ich die dreijährige Ausbildung zur staatlich geprüften Altenpflegerin gemacht. Damit hat sich mir ein komplett neues Feld eröffnet: Man kann mit dem Abschluss Pflegedienstleiter werden, Wundexperte, Sterbebegleiter, es gibt sehr viele Möglichkeiten … Der Beruf ist vielfältig, nie langweilig und man kann sich verändern, wie man will. Ich würde es wieder so machen!
Krankenpfleger, Lehrer für Pflegeberufe, Leiter einer Pflegeeinrichtung in Altötting
Kinderkrankenpfleger, Stationsleiter Kinderchirurgie
in Augsburg
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