Der Arzt hat angeordnet, dass ich eine intravenöse Chemotherapie geben soll – darf ich das überhaupt? Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Psychiatrie: Was muss ich beachten? Wann muss ich als selbstständige Pflegekraft Beiträge zur Sozialversicherung zahlen? Jeden Tag haben Pflegekräfte auch mit rechtlichen Fragen zu tun. In unseren FAQs stellen wir immer wieder interessante Fragen und Antworten vor. Sie haben selbst eine Frage? Allen VdPB-Mitgliedern bieten wir eine kostenlose Beratung in berufsrechtlichen Fragen!
Unten sehen Sie alle Fragen im Überblick. Wenn Sie auf eine Frage klicken, finden Sie eine Einführung ins Thema und eine erste kurze Antwort, oft ergänzt durch Tipps für die Pflegepraxis. Sie möchten tiefer einsteigen und mehr erfahren? Dann lesen Sie einfach unter „Hintergrund: die Rechtslage“ weiter.
Neue Therapien und weiterentwickelte Versorgungsstrukturen für krebskranke Menschen stellen die Zusammenarbeit von ärztlichem und pflegerischem Personal vor neue Herausforderungen. Dazu gehört die rechtliche Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen intravenöse Chemotherapie an Pflegefachkräfte delegiert werden darf.
Unter strengen Voraussetzungen, mit entsprechender Qualifikation und einem gut organisierten Therapieplan können speziell geschulte Pflegefachkräfte in enger Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten IV-Injektionen auch in der Chemotherapie durchführen. Dies gilt sowohl für den klinischen als auch für den außerklinischen Bereich (ambulante Pflege, Hospiz, Pflegeheime).
Um als Pflegekraft eine IV-Chemotherapie anzuwenden, müssen Sie
Hintergrund: die Rechtslage
Selbstverständlich gehören intravenöse Injektionen zum Tätigkeitsbereich der Ärzte. Für die Delegation ärztlicher Tätigkeiten auf Pflegefachkräfte gelten die üblichen Voraussetzungen:
Die Frage, ob chemotherapeutische Maßnahmen – etwa die Gabe von Zytostatika – delegierbar sind oder nicht, ist in der pflegerechtlichen Literatur umstritten.
Voraussetzung ist immer, dass keine unbeherrschbaren Komplikationsfolgen erwartbar sind, auf die Pflegefachkräfte nicht angemessen reagieren können.
Bei der Chemotherapie kommt es durchaus immer wieder zu Zwischenfällen. Auch sind diese nicht immer beherrschbar. Gleichwohl hat sich, auch aus praktischen Gründen, die pflegerechtliche Auffassung durchgesetzt, dass auch intravenöse Injektionen in der Chemotherapie delegierbar sind. Die Voraussetzungen sind allerdings streng: Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte müssen
Bei der Delegation intravenöser Chemotherapie muss auch die Pflegekraft bzw. die Pflegedienstleitung prüfen, ob sie oder die eingesetzte Pflegekraft über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die IV-Injektion fachgerecht auszuführen. Ist die Voraussetzung nicht gegeben, darf sie nicht tätig werden. Führt sie die Injektion trotzdem durch, trifft sie ein sogenanntes Übernahmeverschulden.
Nicht nur Leiharbeitsfirmen helfen aus, wenn in Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten das Personal knapp ist. Zunehmend sind auch selbstständige Pflegekräfte als „Springer“ tätig. Sie arbeiten ähnlich wie angestellte Pflegekräfte: Sie beteiligen sich an der Pflegedokumentation, tragen die übliche Dienstkleidung. Sind sie nun selbstständig oder sozialversicherungsrechtlich tätig?
Ob für Sie die Regeln für Selbstständige gelten oder ob Sie sozialversicherungspflichtig sind (also Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung entrichten müssen), hängt davon ab, wie Ihre Tätigkeit ausgestaltet ist. Die Grenze ist nicht immer ganz eindeutig zu ziehen. Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein hat Maßstäbe zur Abgrenzung herausgearbeitet.
Danach gilt eine Pflegekraft als selbstständig und ist nicht sozialversicherungspflichtig gemäß § 7 SGB IV, wenn sie
Dagegen sind Pflegekräfte sozialversicherungspflichtig, wenn sie
Vorsicht ist geboten, denn:
Scheinselbstständigkeit kann zu erheblichen Regressforderungen führen – d. h., Sie und Ihr(e) Arbeitgeber müssen fast immer Bußgelder oder hohe Nachzahlungen leisten.
Die Fixierung z. B. mit Bauchgurt und andere schwerwiegende Eingriffe in die Freiheitsrechte von Patientinnen und Patienten gehören zur alltäglichen Praxis in psychiatrischen Kliniken. Bislang sahen die Psychisch-Kranken-Gesetze der Länder lediglich vor, dass die Unterbringung richterlich genehmigt werden muss (nach dem PsychKGs oder gemäß § 1906 Abs. 1 BGB). Doch wie sieht es mit der Fixierung aus?
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 24.07.2018 entschieden: Auch wenn die Unterbringung eines Menschen bereits gerichtlich genehmigt wurde, ist die Fixierung genehmigungspflichtig. Folgende Vorgaben gelten danach für Fixierungen in der Psychiatrie:
In der Praxis stellt sich ein Problem, wenn die Gefährdungslage plötzlich auftritt.
Wenn eine Patientin oder ein Patient in der Psychiatrie mit richterlichem Beschluss in einer geschlossenen Abteilung untergebracht ist, dann gehen die Landesgesetze davon aus, dass für eine zusätzliche körpernahe Fixierung keine weitere richterliche Genehmigung nötig ist.
In der Literatur zum Betreuungs- und Psychiatrierecht wurde dies allerdings schon lange bestritten. Nun hat das Bundesverfassungsgericht entschieden:
Der letzte Punkt führt wegen des hohen Personalaufwands zu praktischen Schwierigkeiten in der Psychiatrie. Entsprechende Dienstanweisungen sind aus psychiatrischen Einrichtungen seit langer Zeit bekannt, sie werden leider nicht überall befolgt. Auch sind sie nicht in jeder Klinik in dieser Weise von der Klinikleitung beschlossen worden.
Das deutsche Recht stellt hohe Anforderungen an die Zulässigkeit von Fixierungsmaßnahmen, sei es in Krankenhäusern, in der Psychiatrie oder in Pflegeheimen. Fixierungen (v. a. körpernahe) werden als intensiver Eingriff in die Freiheitsrechte gewertet. Das Grundgesetz stellt die Fortbewegungsfreiheit unter einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (Art. 4 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 GG). Daher müssen freiheitsentziehende Maßnahmen durch die Gerichte genehmigt werden. Dies ist weltweit einzigartig, da etwa auch in der Langzeitpflege das Aufstellen von Bettgittern als freiheitsentziehende Maßnahme gewertet wird (§ 1906 Abs. 4 BGB).
Die meisten Medikamente werden für den Zweck eingesetzt, für den sie im Zulassungsverfahren vorgesehen wurden (Indikation). Für manche Erkrankungen oder Patientengruppen findet sich aber keine zugelassene Indikation – oder das Medikament ist nicht für die vorgesehene Therapie zugelassen. Hier spricht man von Off-Label-Use der Medikamente. In der klinischen Praxis und im Pflegeheim ist der Off-Label-Use verbreitet. Unter welchen Voraussetzungen dürfen Medikamente off-label gegeben werden? Welche rechtlichen Aspekte muss ich als Pflegekraft dabei beachten?
Ein Off-Label-Use von Medikamenten ist im Einzelfall zulässig, aber an strenge Voraussetzungen geknüpft:
Es besteht der Grundsatz, dass zugelassene Arzneimittel nur für die Indikationen einzusetzen sind, auf die sich die Zulassung bezieht (§§ 71 ff. AMG). Diagnose, Therapieziel, Indikationen, die Einwilligung durch den/die informierte/n Patientin/Patienten (Informed Consent), die Dosis und die Verabreichung (Applikation): Alles ist in der Zulassung festgelegt. Auch die ärztlichen Leitlinien können entsprechende Handlungsempfehlungen enthalten.
Von diesem Grundsatz müssen Ausnahmen dort gemacht werden,
Besonders oft stellen sich Fragen des Off-Label-Use von Medikamenten
Wegen der strengen Bindung an die arzneimittelrechtliche Zulassung gilt im deutschen Medizinrecht auch die Therapiefreiheit der Ärzte als hohes Gut. Ist die Ärztin/der Arzt überzeugt, dass ein Therapieziel nur mit eine Off-Label-Gabe zu erreichen ist, kann diese zulässig sein. Vier Voraussetzungen müssen hierfür vorliegen:
In der Klinik sieht § 137 c SGB V eine recht weitgehende Erlaubnis zur Off-Label-Indikation vor: Alles, was nicht gesetzlich ausgeschlossen ist, darf als Off-Label-Use praktiziert werden. Im ambulanten Bereich sind die Voraussetzungen strenger. Hier bedarf es der Einbettung in klinische Studien, damit die Kassen die Kosten übernehmen.
Einen hochproblematischen und rechtswidrigen Off-Label-Use stellt die Gabe von Medikamenten dar, die eingesetzt werden, um etwa Patientinnen und Patienten ruhigzustellen, wie z. B. blutdrucksenkende Mittel oder Psychopharmaka. Eine nicht indikationsgerechte Gabe von Medikamenten, die keine zulässigen therapeutischen Ziele verfolgt, ist rechtswidrig, da
Die Ausbildung in der Pflege ist anspruchsvoll und vermittelt viele vertiefte Kenntnisse. Längst ist die Pflege auch ein Fachbereich der Wissenschaft. Als Berufsstand hat die Pflege ganz eigene Verantwortungsbereiche (die sie z. B. auch gegenüber der Medizin abgrenzen). Solche Tätigkeiten, die einem Berufsstand vorbehalten sind, nennt man „Vorbehaltsaufgaben“. Worin bestehen sie in der Fachpflege?
Zu den Vorbehaltsaufgaben von Pflegefachfrauen und Pflegefachmännern gehören nach § 4 Pflegeberufegesetz:
Seit vielen Jahren wird über Vorbehaltsaufgaben diskutiert. In den europäischen Ländern sind sie zum Teil gesetzlich geregelt. In Österreich etwa beziehen sie sich auf arztnahe Tätigkeiten, etwa Injektionen und Katheterismus. In Deutschland rückt man seit den 90er Jahren die Verantwortung für die Gestaltung der Pflege (Pflegeprozesssteuerung) – in Aushandlung mit der Patientin bzw. dem Patienten – in den Mittelpunkt.
In den Ausbildungsgesetzen wurden entsprechende Ausbildungsinhalte (Pflegeplanung, Pflegeprozess) verankert. Später wurde die Verantwortung für den Pflegeprozess auch im Sozialrecht reflektiert. Nach § 71 SGB XI etwa ist die verantwortliche Pflegefachkraft für die Pflegeprozesssteuerung verantwortlich. § 4 des Pflegeberufegesetzes formuliert erstmals gesetzliche Vorbehaltsaufgaben für die Pflege: Die Pflegeprozessgestaltung von der Anamnese über die Aushandlung von Pflegezielen, die Aufstellung eines Pflegeplans bis hin zur Überwachung des Pflegeprozesses und seiner Evaluation gehören zu den Vorbehaltsaufgaben der Pflege. Im Gesetz heißt es:
Weder Ärztin noch Heimleiter, Sozialarbeiterin oder Therapeut haben das Recht, die Pflegeprozessplanung zu ihren Aufgaben zu erklären oder Pflegekräften ihre Kompetenz streitig zu machen.
Selbstverständlich gilt, dass der Pflegeprozess in enger Abstimmung mit anderen Beteiligten ausgehandelt und erarbeitet werden muss:
Absprachen sind hier notwendig. Doch die Pflegeprozessplanung ist und bleibt in der Verantwortung der Pflegekräfte.
Eine ärztliche Tätigkeit, die eine Ärztin oder ein Arzt an eine Pflegekraft delegiert, ist keine Vorbehaltsaufgabe der Pflegekraft. Ob eine Aufgabe delegiert werden kann, hängt davon ab, ob Nicht-Mediziner die nötige Kompetenz mitbringen. Eine Ärztin oder ein Arzt kann durchaus auch Angehörigen Aufgaben der sogenannten Behandlungspflege übertragen, von der subkutanen Injektion bis zur Portversorgung. Voraussetzung ist immer, dass die Personen zuverlässig sind, die nötigen Kompetenzen erworben haben (sei es auch nur für den bestimmten Einzelfall) und die Patientin bzw. der Patient zustimmt.
Im Sozialrecht werden bestimmte ärztlich delegierte Tätigkeiten, die etwa ein Pflegedienst erbringt, nur dann von den Kassen finanziert, wenn Pflegefachkräfte sie leisten.
Auch dies macht sie aber nicht zu Vorbehaltsaufgaben der Pflege im berufsrechtlichen Sinne. Sie werden schlicht dann nicht bezahlt, wenn Assistenzkräfte sie erbringen. Auch der Arbeitgeber, etwa in der Klinik, kann festlegen, welche delegierten Tätigkeiten aus dem ärztlichen Verantwortungsbereich nur von Pflegefachkräften durchgeführt werden dürfen. Dieser Vorbehalt gilt dann aber nur beim jeweiligen Arbeitgeber und nicht generell.
Krankenpfleger, Lehrer für Pflegeberufe, Leiter einer Pflegeeinrichtung in Altötting
Kinderkrankenpfleger, Stationsleiter Kinderchirurgie
in Augsburg
Vereinigung der Pflegenden in Bayern
Geschäftsstelle
Prinzregentenstraße 24
80538 München
Telefon: 089 54 199 85-0
Fax: 089 54 199 85-99
E-Mail schreiben