Petra E. ist seit 1991 Pflegefachhelferin auf der Inneren Station des Klinikums Landkreis Erding – und zwar mit Herz und Hingabe. Weil es der Berufsalltag nicht hergibt, sich so um die Patienten zu kümmern, wie sie es brauchen, nimmt sich die 55-Jährige oft etwas mehr Zeit, als sie müsste. „Mein Ehrenamt“ nennt sie diese Stunde, die sie früher zum Dienst kommt. Lesen Sie im nachfolgenden Porträt, wie der Pflegenotstand die Arbeit der Pflegefachhelferin beeinflusst und warum Arztserien Konsequenzen haben.
Klinikum Erding, Innere Station, 5 Uhr 15. Eigentlich ist es noch viel zu früh, Petra E.s Dienst beginnt erst in einer Dreiviertelstunde. Trotzdem ist die Pflegefachhelferin schon da, weil das die Zeit ist, in der sie intensiv auf die Patienten eingehen kann. Wo Pflegenotstand und knappe Personalschlüssel wenig Raum für persönliche Zuwendung den Menschen gegenüber lassen, blühen im Verborgenen oft Mitgefühl und persönliches Engagement. „Mein Ehrenamt“ nennt Petra E., die aus einem kleinen Ort zehn Kilometer südöstlich von Erding kommt, diese Hingabe an ihren Beruf.
Die 55-Jährige stellt sich nämlich vor, dass die Pflege trotz aller Technik und trotz allem Medizinischen im Vordergrund stehen sollte. Dazu gehört für sie vor allem die Zeit, mit ihren Patientinnen und Patienten auch ein Gespräch zu führen, zu sehen, wo der Schuh drückt. Und sowohl in Ruhe nach den Menschen schauen zu können, „denen es nicht mehr möglich ist, zu schreien“, als auch nach denen, die zwar selbstständiger sind, aber dafür oft Angst vor den Konsequenzen ihrer schweren Diagnosen haben. Weil im normalen Dienst wenig Zeit bleibt, „mit den Leuten zu ratschen“ und wirklich auf ihre persönlichen Belange einzugehen, hat Petra E. ihr „Ehrenamt“ eingerichtet.
Ein typischer Arbeitstag sieht für die Pflegefachhelferin so aus: Um 6 Uhr Übergabe vom Nachtdienst an den Frühdienst, dann Infusionen und Medikamente herrichten. Mit Messgeräten für Blutzucker und Blutdruck sowie einem Inhalator ausgerüstet, geht es dann zu den Patienten. Es sind immer etwa 14 Personen, die Petra E. morgens betreut. Wenn nach eineinhalb bis zwei Stunden alle Medikamente verteilt, alle Werte genommen und alle Zugänge kontrolliert sind, geht es an die Körperpflege und daran, das Frühstück auszuteilen. Danach folgen noch die Arztvisite, Entlassungen, die Aufnahme von Neuzugängen und Verlegungen von Patienten auf andere Stationen sowie eine sehr aufwendige Dokumentation.
Durch die kürzeren Liegezeiten der Patientinnen und Patienten ist Petra E.s Arbeitsalltag deutlich stressiger ist als noch vor ein paar Jahren. Waren die Menschen früher meist mehrere Wochen stationär untergebracht, bleiben sie heute oft nur noch ein paar Tage. Durch diese kurzen Liegezeiten, so erzählt Petra E., gibt es viel mehr Arbeit. Es müssen mehr Betten abgezogen, mehr Leute entlassen, abgeholt oder verlegt werden. „Von drei bis vier Entlassungen am Tag sind wir mittlerweile bei zehn bis 15. Und man muss natürlich von allen Patienten alles wissen – das ist also nicht wenig, was man sich da heute merken muss. Außerdem wollen viele Berichte geschrieben werden. Da geht einer und der nächste steht schon da.“
„Wenn ein Patient geht, steht der nächste schon da.“
Auf die Frage hin, ob die Arbeit im Krankenhaus so sei wie in den Arztserien, muss die 55-Jährige lachen. Sie nimmt einen Schluck aus ihrer Wasserflasche, streicht sich die rotbraunen Haare glatt und erzählt mit einem verschmitzten Lächeln, dass Arztserien absurd hohe Erwartungshaltung schürten. Denn teils erwarteten die Patienten – vom arztserientypischen Friede-Freude-Eierkuchen-Bild ausgehend – heute regelrechte Hotelleistungen. Teekochen, Fenster aufmachen, Fenster zumachen, Wasser bringen. Viele machen nichts mehr selbst, auch wenn sie könnten. Und auch was die persönliche Zuwendung anginge, seien die Erwartungen an Hochglanz-Formate angelehnt. Ihr warmes Wesen steht während ihrer Erzählung im starken Kontrast zu dem nüchternen Konferenzraum, in dem wir uns unterhalten. Kein Aufsehen, keine Genervtheit, kein Stress ist während ihrer Erzählungen fühlbar, denn Petra E. könnte sich trotz des Spagats zwischen Arbeitsplan und Patientenbedürfnissen nichts anderes vorstellen, als in der Pflege zu arbeiten.
Nur manchmal, sagt sie mit sanfter Stimme, würde sie sich doch wünschen, sie hätte die dreijährige Ausbildung und das Examen als Krankenpflegerin gemacht, aber es sollte nicht sein. Lange Wartezeiten für einen Ausbildungsplatz, zwei Schwangerschaften und fehlende Kinderbetreuungsangebote haben sie in der Helferposition gehalten. Von 1984 bis 1991 lebte sie von einem befristeten Vertrag zum nächsten, dann endlich kam die Festanstellung. „Meine Kinder waren immer die Nummer eins. Und mein Jüngerer hat auch mehr Unterstützung gebraucht.“ Als junge Frau sah sie ihren Mann, der Koch ist, teilweise fast gar nicht, denn beim ersten Kind wechselten sich beide in Teilzeit mit der Betreuung ab.
„Ich fühle mich als Pflegefachhelferin manchmal minderwertiger“, sagt Petra E. und setzt sich auf ihrem Stuhl zurecht. Viele Sachen dürfe sie aufgrund der fehlenden Ausbildung nicht machen. Und auch, wenn die Aufgaben von Pflegefachhelfern und examinierten Kräften in der Praxis gar nicht so unähnlich seien, fehle doch auch der theoretische Hintergrund.
Eine Ausbildung hat für die Pflegefachhelferin deshalb einen großen Wert und sie genießt es, auf ihrer Station mit Azubis und Nachwuchskräften zusammenarbeiten zu können. „Man bleibt einfach jung dabei“, sagt sie und lächelt über das ganze Gesicht. Petra E. ist eine in sich ruhende Seele. Sie schaut auf das Gute. Und das ist für sie vor allem das, was ihr die Arbeit mit den Menschen gibt. Die Zufriedenheit, die sie fühlt, wenn sie sich um die Patienten kümmern kann. Und zwar so, wie sie es damals noch gelernt hat: mit Zeit und Zuwendung.
Krankenpfleger, Lehrer für Pflegeberufe, Leiter einer Pflegeeinrichtung in Altötting
Kinderkrankenpfleger, Stationsleiter Kinderchirurgie
in Augsburg
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