Gabriele S. ist Altenpflegerin aus Leidenschaft. Für ihren heutigen Beruf hat sie sich einer großen Herausforderung gestellt. Denn früher führte die 57-Jährige gemeinsam mit ihrem Mann eine eigene Gaststätte – Gabriele S. war eine gestandene Wirtin. Um in die Pflege zu wechseln, hat sie 1995 ihr Leben einmal komplett umgekrempelt und einen Neustart gewagt. Ein Gespräch über mutige Entscheidungen, die vielfältigen Möglichkeiten des Pflegeberufs und den hohen Stellenwert professioneller Pflege.
Auf dem Weg zum Interview im ersten Stock des Altöttinger Alten- und Pflegeheims St. Klara entgeht Gabriele S. kein Detail: Ob es die alte Dame ist, die nochmal vor die Tür gehen will, um die letzten Sonnenstrahlen zu genießen oder die neue Schramme in der Absturzsperre oben an der Treppe, die Altenpflegerin hat alles im Blick. Während sie die Bewohnerinnen und Bewohner freundlich grüßt und über die Metallstange streicht, antwortet sie konzentriert auf alle Fragen – ihre Fähigkeiten von früher kann sie als Leiterin der Sozialen Betreuung auch heute noch gewinnbringend einsetzen.
Gabriele S.: Das stimmt wohl (lacht). Ich habe tatsächlich erst 1995 mit der Pflege angefangen, da war ich Mitte Dreißig. Der Wechsel war für mich eine große Herausforderung, die ich aber nie bereut habe. Einer der Gründe für meine Entscheidung, so unglaublich das vielleicht klingen mag, waren die besseren Arbeitsbedingungen: Ich war eine junge Mutter und Unternehmerin. Da ist man, zumal in der Gastronomie, immer nur mit Arbeiten beschäftigt. Es gibt keine Freizeit. Der Spruch „selbst und das ständig“ trifft durchaus zu. Heute ist es besser, ich kann nach Hause gehen und die Arbeit bleibt in der Arbeit.
Die Soziale Betreuung ist ein wichtiges Berufsfeld in der Altenpflege. Sie trägt durch unterschiedliche Aktivitäten wie Mahlzeitengestaltung, Musizieren oder Gottesdienste dazu bei, den Alltag älterer Menschen zu strukturieren. Als fester Bestandteil des Tagesablaufs hilft sie den Bewohnerinnen und Bewohnern von Heimen dabei, sich wohl und geborgen zu fühlen, denn sie wirkt aktivierend und fördert den Erhalt der Persönlichkeit.
Mein Schwerpunkt ist die soziale Betreuung der Bewohner in der Altenpflege, das geht von der Musiktherapie über Erinnerungsgespräche bis hin zum therapeutischen Mittagstisch. Zusätzlich bin ich in der Teamleitung für neue Kolleginnen, koordiniere die Zuteilung der Aufgaben an sie und kümmere mich um die Organisation ihrer Einsätze. Und ganz neu versuchen wir jetzt auch eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Außenstellen ins Leben zu rufen. Zum Beispiel mit Vereinen oder Kindergärten, die dann mit unseren Senioren in Kontakt kommen. Das wäre eine sehr große Bereicherung für die Bewohner! Eine Mutter-Kind-Gruppe haben wir schon hier im Haus.
Die Erinnerungspflege – auch Biografiearbeit genannt – soll älteren Menschen dabei helfen, ihre Zukunft zu gestalten, sich selbst zu reflektieren und Bilanz zu ziehen. Die persönlichen Anliegen von Bewohnerinnen und Bewohnern stehen dabei im Mittelpunkt der Gespräche mit den Pflegekräften. Oft werden auch „Trägermedien“ wie Fotos, Lieder, Tagebücher oder Filme eingesetzt, die die Erinnerung unterstützen. Besondere Bedeutung hat die Biografiearbeit außerdem für Menschen mit Demenz. Sie ist oft ein letzter Halt im Strudel des Vergessens.
Ich finde die Möglichkeiten in der Altenpflege einfach sehr spannend. Der Beruf ist so vielseitig. Nach der Ausbildung zur Altenpflegerin habe ich mich deshalb erst in Gerontospychiatrie, dann im Managementbereich, als Wundexpertin und in der Heimbeatmung fortgebildet. Wär ich noch zehn Jahre jünger, würde ich auf jeden Fall auch ein Studium dranhängen.
Ich finde es sehr wichtig, dass die Menschen eine sinnvolle Aufgabe bekommen, mehr als nur Mandalas auszumalen. In der Pflege sollte es einen ganz normalen Umgang wie in einer Großfamilie geben, wie zu Hause. So stell ich mir das vor. Und da soll es auch keine Verbote geben. Wenn die Pflegeeinrichtung ein Zuhause sein soll, ist ein ganz anderer Wind drin. Hier in unserer Einrichtung legen wir einen Schwerpunkt auf die Freiheit. Und gerade in der sozialen Betreuung gibt es ja eine große Bandbreite von Möglichkeiten, den Leuten ungezwungen, aber direkt zu helfen. Man spezialisiert sich zwar irgendwann auf ein Gebiet, aber braucht ein genauso großes Spektrum, wie es verschiedene Menschen gibt. Auf die man eingehen muss.
… nie langweilig.
Es ist die Vielfalt, die ihn so schön macht.
Deutschland ist ein Jammertal. Ganz egal in welchem Bereich, und in der Pflege natürlich umso mehr. Die schönen Aspekte sind zum Beispiel – in jeder Schicht, an jedem Tag – wenn der Patient eine positive Rückmeldung gibt: zum Beispiel ein Lächeln, ein entspannter Muskeltonus oder auch nur ein Danke. Oder wenn der Bewohner wieder selbstständig wird.
Ja, das habe ich. Und die Abhängigkeit ist das ungute Gefühl dabei. Man möchte nicht abhängig sein. Das ist auch für viele neue Bewohner ein Problem. Unausgesprochen oder ausgesprochen.
Die Profession hängt von der Kompetenz ab, ohne die geht’s nicht. Ich brauche Fachwissen dazu. Da fällt mir immer wieder der Satz vom Herrn Blüm ein … „Pflegen kann ein jeder“, hat der mal gesagt. Aber das ist Quatsch. Ich brauche solides Hintergrundwissen. Und ganz wichtig: Man muss lernen, sich abzugrenzen. Das muss man können, um eine gute Leistung zu bringen, und das ist für Angehörige fast unmöglich.
Auf alle Fälle, es geht hier um Menschenleben. Ich baue keinen Motor zusammen oder ein Computerteil, sondern es ist ein Mensch, mit dem ich arbeite. Und gerade in der direkten Pflege, wenn ich nicht richtig handle, kann dieser Mensch sterben, zum Beispiel an einem Herzinfarkt. Da haben wir wieder die Professionalität.
Dass er schon während der Ausbildung in die Soziale Betreuung reinschnuppern kann. Weil sie so wichtig ist als dritte Säule. Was ich hier zum Beispiel so toll finde, ist, dass es eine Teamleitung für soziale Betreuung gibt. Und wichtig wäre auch, dass junge Pflegekräfte ihr aktuelles Wissen von der Schule besser einbringen können. Sie kommen oft total begeistert an und werden dann schnell ernüchtert, wenn das nicht möglich ist. Das wiederum hängt auch stark von der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegekräften ab.
Das habe ich mich auch schon gefragt. Ich denke, die handwerklichen Berufe haben auch so ihre Schwierigkeit, dass sie junge Menschen nicht mehr begeistern können, weil jeder meint, wenn er studiert, hat er keine körperliche Arbeit mehr zu verrichten. Aber in der Pflege kann es keine Pflegeroboter geben, sondern es müssen immer Menschen sein. Auf den Messen sieht man immer öfter Pflegeroboter, die bei einfachen Handgriffen oder mit Hol- und Bringdiensten helfen.
Ja, das wäre eine Entlastung, aber was die zwischenmenschlichen Aktionen angeht, die kann ich mir zwischen Mensch und Roboter nicht vorstellen. Das ist wohl recht visionär.
Vielleicht wird es hier besser mit mehr studierten Kräften. Wenn wir Pflegekräfte hoffentlich irgendwann unsere Pflegediagnosen selbst stellen können und wenn wir, als die, die, am nächsten dran sind, sagen könnten: Der Patient braucht die und die Therapie, dann hätten wir viel erreicht. Die Pflegediagnosen müssten dann auch den medizinischen gleichgestellt sein. Das scheitert aber schon wieder an den finanziellen Mitteln.
Eine Pflegediagnose soll helfen, möglichst gut auf die Gesundheitsprobleme pflegebedürftiger Personen zu reagieren. Dafür wird eine Zusammenfassung ihres Gesundheitszustands sowie ihrer körperlichen, geistigen und entwicklungsbedingten Auswirkungen erstellt. Mithilfe der Pflegediagnose versuchen Pflegeexperten dann, die bestmöglichen Pflegeziele und Maßnahmen für die betroffene Person zu identifizieren und mit ihrer Hilfe offenzulegen, warum ebendiese Maßnahmen und Hilfen eingesetzt werden.
Wenn Menschen in einem Seniorenheim sind und nicht mehr am Leben in der Gesellschaft teilhaben, nimmt man ihre Bedürfnisse vielleicht nicht so wahr. Die Lebenserwartung steigt immer mehr, aber trotzdem ist man vielleicht nicht so gewillt, den Menschen in das gesellschaftliche Leben zu integrieren. Was es allein alles braucht, um einen Rollstuhl zu beantragen!
… dass der Mensch im Alter denselben Stellenwert hat wie ein junger Mensch.
Krankenpfleger, Lehrer für Pflegeberufe, Leiter einer Pflegeeinrichtung in Altötting
Kinderkrankenpfleger, Stationsleiter Kinderchirurgie
in Augsburg
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