„Ich glaub, die Leute fühlen sich hier bei uns sehr wohl“, sagt Maria B., die mit 47 Jahren nochmal beruflich umgesattelt und eine Ausbildung zur Altenpflegerin gemacht hat. Ihr Tag in St. Klara beginnt um 6 Uhr morgens. Dann steht die Grundpflege auf dem Programm: Maria B. wäscht, duscht und zieht etwa acht Bewohnerinnen und Bewohner der „Station rechts“ im Erdgeschoss an. „Mobilisierung gehört auch dazu, wir wollen sie gut aus dem Bett herausbringen“, erzählt die zarte, blonde Frau, die auch mit 66 Jahren noch in der Pflege tätig ist. Kurz nach Eintritt in die Frührente entschied sie sich, nochmals zurück in die Altenpflege zu gehen – aber warum?
Für ihre geduldige und freundliche Art ist die Mutter von zwei erwachsenen Kindern beliebt bei den Bewohnerinnen und Bewohnern. Maria B. ist ein feiner, zurückhaltender Mensch – das kommt gut an. Darauf angesprochen, muss sie lachen: „Ja, mein Mann hat erst kürzlich gesagt, ´stell dich halt nicht immer so hinten an, nimm dich mal in den Vordergrund´. Aber ich hab´s mir erst wieder beim Skifahren gedacht, wo sich alle wie wild vorgedrängelt haben: ´Was ist schon eine Minute?
Man merkt Maria B. ihre Ruhe im Umgang mit den alten Menschen an. Sie bemüht sich immer, auf deren Bedürfnisse, Gewohnheiten und Wünsche einzugehen. „Wenn jemand was nicht essen will, dann muss er es nicht essen. Wenn jemand nicht früh schlafen will, muss man ihn in der Früh länger schlafen lassen“, stellt sie überzeugt fest.
Es sei wichtig, trotz aller Abläufe und Vorschriften auch in der Pflege flexibel zu bleiben und nicht auf Teufel komm raus alles so zu machen, wie es schon immer gemacht wurde. „Ich suche immer die beste Lösung für alle“, erzählt Maria B. Wobei die Grenzen dann erreicht seien, wenn z. B. ein Bewohner sie bittet, für sie einkaufen zu gehen: „Das funktioniert nicht. Aber ein Bier anstatt Wasser zum Abendessen, das kann man schon mal besorgen.“
Für Maria B. ist die Altenpflege mehr als nur ein Beruf. Früher hatte sie in einer Fabrik für Freizeitmöbel gearbeitet. Als sie 47 Jahre alt war, entschied sie sich auf Altenpflege umzusatteln. „In der Fabrik musste ich teils sehr schwere körperliche Arbeit verrichten, das war mir dann zu viel. Außerdem wollte ich etwas gesellschaftlich Wertvolles tun, zum Pflegeberuf hat mich sozusagen auch die soziale Ader gebracht“, erzählt Maria B., die aus einer großen Familie kommt.
So kam es auch, dass ihr nach dem Eintritt in die Rente 2012 die Bewohnerinnen und Bewohner sehr fehlten, dass sie sich kurzerhand entschied, noch weiterzumachen. Heute ist sie auf 450-Euro-Basis. Dank der guten Ausstattung mit Hebeliften und kinästhetischen Arbeitsabläufen hat Maria B. trotz ihres Alters keine Schwierigkeiten mit der Arbeit. „Mein Arbeitspensum kann ich gut erfüllen. Es ist aber nicht mit dem von Vollzeitkräften zu vergleichen. Neben der allgemeinen Pflege fallen hier noch viele weitere Aufgaben an, z. B. Gespräche mit Angehörigen und Ärzten führen, Arztvisiten begleiten oder die Medikamente zu bestellen, zu überprüfen und zu richten“, erzählt sie. Ihre Entspanntheit im Job schreibt sie aber auch ihrem aktiven Lebensstil zu. „Ein guter Ausgleich ist sehr wichtig, wie Sport, wie Radfahren oder Wandern, ich geh gerne in die Berge. Vielleicht hatte ich deswegen auch nie Rückenprobleme, ich war immer aktiv.“
Kinästhetik hilft Menschen, ihre Bewegungen bewusst wahrzunehmen. Grundlage ist dabei immer das Zusammenspiel von zwei Personen: Der Pflegebedürftige nimmt aktiv an der Pflege teil, statt nur passiv behandelt zu werden. Damit wird auf schonende Weise Hilfe zur Selbsthilfe möglich – Menschen können bei alltäglichen Aktivitäten wie Aufstehen, Essen, Aufsetzen oder Transfers vom Bett in den Rollstuhl ihre eigenen Bewegungsmöglichkeiten besser ausschöpfen. Der Vorteil für Pflegende: Die physische Belastung reduziert sich durch den Einsatz von Kinästhetik deutlich.
Auf die Frage hin, was sie sich vom Umstieg auf die Pflege erhofft habe, bringt Maria B. einen interessanten Aspekt ins Spiel: „Damals, also vor 20 Jahren, wurde die Altenpflege einfach noch nicht so negativ dargestellt wie heute. Mein Bild davon war ein positives.“ Für B. ist der Sinn dabei das Wichtigste: „Wenn man mit Menschen arbeitet, ist es anders, als wenn man mit Ware zu tun hat. Wie in der Fabrik zum Beispiel.“
„Für mich ist es eine Erfüllung, mich um andere Menschen kümmern zu können.“
Die Altenpflegerin aus Leidenschaft setzt sich für einen wertschätzenden Blick auf die Pflegeberufe ein: „Ich möchte von dem negativen Image der Altenpflege wegkommen und versuche deshalb zu erklären, warum dieser Beruf mehr Anerkennung verdient.“
Der Pflegestil von Maria B. ist ein zugewandter, er ist positiv. Für sie zählt dabei vor allem, dass die Menschen sich wohlfühlen: Ihr Leben im Altenheim soll an das frühere zu Hause anknüpfen, sie sollen ihre Gewohnheiten und Vorlieben beibehalten können.
Bei der herzlichen Blondine gilt vor allem ein Credo: „Die Menschen sollen sich hier wohl und zu Hause fühlen.“ Dass der Aspekt des Zuhauses, der Heimat, ein ganz wichtiger ist, wird auch von der Heimleitung getragen: Alle Bewohnerinnen und Bewohner dürfen überall hin, es gilt das Prinzip der persönlichen Freiheit. „Wir halten die Menschen von nichts ab. Manche fahren mit dem Taxi zum Einkaufen, eine Bewohnerin geht bei Wind und Wetter raus. Auch wenn mal ein Sturz dabei ist, soll sie das machen“, sagt Maria B. Und schiebt noch hinterher: „Die Menschen sind hier daheim, sie fühlen sich wohl. Ich arbeite in einer großen Familie.“
Maria B.s schönste Belohnung – das, was sie antreibt – ist es, wenn die Menschen, denen sie hilft, lachen, sie sehen kann, dass sie sich freuen und zufrieden sind. Wenn sie mit dem Fahrrad zum Frühdienst kommt, stehen die Bewohner manchmal schon draußen, um mit ihr zusammen reinzugehen. „Es macht mich glücklich, wenn ich sehe, dass sie sich freuen, dass ich da bin und vielleicht sagen ´jetzt waren Sie aber schon lange nicht mehr hier´. Da wird man auch als Mensch wahrgenommen.“
„Da wird man auch als Mensch wahrgenommen.“
Es gibt aber auch schwierige Situationen, denn selbst professionelle Pflegekräfte stoßen manchmal an Grenzen. Auch sie müssen lernen, sich abzugrenzen – und das bereits in der Ausbildung. Maria B. erinnert sich noch sehr gut an die Situationen, die schwierig für sie waren. Zum Beispiel damals, erzählt Maria B., als sie von der Tochter eines Bewohners erfuhr, dass diese so selten kam, weil ihr Vater sich früher so schrecklich verhalten hatte. Oder als eine sehr fitte Bewohnerin überraschend während ihres Dienstes verstarb.
„Eine Sache, die ich außerdem in der Pflege gelernt habe, ist auf jeden Fall der Umgang mit dem Tod“, sagt Maria B. „Manche Kollegen wollen gar nicht in ein Zimmer reingehen, wo ein Verstorbener liegt. Dabei ist der Tod auch nur eine Station, ebenso wie Kindheit, Erwachsenenalter, Rente.“ Maria B. empfindet den Tod eines Bewohners, den sie über einen langen Zeitraum begleitet hat, zwar als traurig. „Wenn man aber sieht, wie der Weg zum Sterben ist, und dass sich einige Bewohner auch wünschen zu sterben, dann verliert es für einen selbst an Schrecken.“
Altenpflegerin ist für Maria B. mehr als ein Beruf. Für sie ist es Berufung, und sie hat es nie bereut, auch so spät noch einen Wechsel vollzogen zu haben. Neulich hat mich eine Kollegin gefragt, wie lange ich das noch machen will, da hab ich gesagt ´so lange wie es geht!´“
Krankenpfleger, Lehrer für Pflegeberufe, Leiter einer Pflegeeinrichtung in Altötting
Kinderkrankenpfleger, Stationsleiter Kinderchirurgie
in Augsburg
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