Sicherstellung der pflegerischen Akutversorgung bislang in den Verhandlungen vernachlässigt / VdPB sieht Pflegeausbildung gefährdet / Fehleinschätzung der Regierungskommission bei Personaleffekten der geplanten Reform
München, 14.07.2023 – Seit Jahrzehnten wird in der Langzeitpflege um ein bundeseinheitliches Personalbemessungssystem als Ersatz für willkürlich festgesetzte Fachkraftquoten gerungen. 2021 hat sich der Gesetzgeber auf ein wissenschaftlich fundiertes Konzept verständigt, das gemäß § 113c SGB XI in den nächsten Jahren verbindlich eingeführt werden soll. Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) begrüßt ausdrücklich, dass damit von den fachlich nicht belastbaren Bemessungsverfahren der Vergangenheit Abschied genommen wird. Die Umsetzung des neuen Personalbemessungssystems PeBeM aber muss nach Ansicht der VdPB zwingend so gestaltet werden, dass Pflegefachpersonen ihren qualitätssichernden und -entwickelnden Einfluss auch umfassend in der Praxis geltend machen und realisieren können.
„Wir halten es insbesondere mit Blick auf die bayerische Rahmenvereinbarung zwischen den Verbänden und den Kostenträgern keineswegs für gesichert, dass der pflegefachliche Fokus, der dem PeBeM-Konzept eigentlich zugrunde liegt und zudem eine ebenso gute wie bedarfsorientierte Versorgung sicherstellen soll, in der Umsetzung auch tatsächlich priorisiert wird. Nur mit gut strukturierten Implementierungsprozessen in den Einrichtungen als erstem Schritt ist dem fachlichen Anspruch Genüge getan. Wer jetzt schon Vereinbarungen zu Personalschlüsseln trifft, macht den zweiten Schritt vor dem ersten. Und das nicht zuletzt unmittelbar auf dem Rücken der Pflegenden und mittelbar auch der pflegebedürftigen Menschen“, erklärt Georg Sigl-Lehner die Skepsis der VdPB. „Aus diesem Grund sehen wir die gesetzliche Verpflichtung zur Einführung des PeBeM in den Einrichtungen der Langzeitpflege auch als Auftrag an die Selbstverwaltung der Pflege – für Bayern also an die VdPB – den Umsetzungsprozess kritisch und konstruktiv zugleich zu begleiten. Entscheidend ist dabei in unseren Augen auch, dass die Personalbemessung die erforderliche Wahrnehmung der im Pflegeberufegesetz definierten Vorbehaltsaufgaben der Pflege berücksichtigt.“
Die VdPB beschäftigt sich seit Inkrafttreten des Pflegeberufegesetzes vor dreieinhalb Jahren mit den Vorbehaltsaufgaben, die den gesamten Pflegeprozess zwingend der Verantwortung von Pflegefachpersonen zuordnen. Dieser absolute Aufgabenvorbehalt bleibt definierendes Element und damit Vorbedingung einer gelingenden Umsetzung des PeBeM und Kern der anvisierten kompetenzorientierten und qualifikationsdifferenzierten Arbeitsorganisation in der Langzeitpflege. Das bedeutet konkret, dass Pflegefachlichkeit gewährleistet sein muss und der Rückbau von formalen Anforderungen an die Personalausstattung durch einen funktions- und kompetenzbezogenen Personaleinsatz kompensiert wird. „Diese in meinen Augen zwingende Anbindung des Personalbemessungsinstruments an die vorbehaltenen Aufgaben, die ausschließlich Pflegefachpersonen die Gestaltung des Pflegeprozesses erlauben, stellt Einrichtungen durchaus vor Herausforderungen. Wer sich aber pflegerische Versorgung auf einem angemessenen und menschenwürdigen Qualitätsniveau auf die Fahne schreibt, der wird dieser Herausforderung mit einer strategisch ausgefeilten Organisations- und Personalentwicklung begegnen müssen“, erläutert Sigl-Lehner. Eine weniger sachgerechte Herangehensweise könne auf Dauer nur eine Deprofessionalisierung der Pflege zur Folge haben, und da sehe die VdPB tatsächlich ein großes Risiko. Die in Bayern zwischen Kostenträgern und Einrichtungsträgern getroffene Rahmenvereinbarung nähre die Befürchtung, dass schlussendlich die Pflegefachlichkeit – und damit auch die Versorgungsqualität – der Ökonomie und den Betriebsergebnissen zum Opfer fallen könnten. Es reiche nicht, nur die Quantität im Blick zu haben, ohne qualitative Veränderungen anzustoßen. „Die von Pflegefachpersonen mit der Einführung des PeBeM verbundene Hoffnung auf Verbesserung der Rahmenbedingungen ihrer Arbeit wird sich damit gewiss nicht erfüllen!“
„Es wird immer wieder auf allen Seiten betont, dass das Ziel eine gute und sichere Versorgung der Menschen sei. Wenn das wirklich die gemeinsame Zielformulierung ist, fordern wir alle Akteure einschließlich der Aufsichtsbehörden zu einem intensiven Gespräch darüber auf, wie sich dieses Ziel durch eine fachgerechte Umsetzung des PeBeM unter Berücksichtigung der Vorbehaltsaufgaben und eines angestrebten Qualifikationsmixes erreichen lässt. Wir sehen uns hier in der Verantwortung und würden ein entsprechendes Austauschformat initiieren“, bietet der VdPB-Präsident an und knüpft dadurch an die abschließende Forderung des VdPB-Positionspapiers an.
Die vollständige Pressemitteilung im PDF-Format zum Download
Das Positionspapier der VdPB zum § 113c SGB XI zum Download
Die VdPB
Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und ein unabhängiges Sprachrohr von und für professionelle Pflegekräfte in Bayern. Die VdPB wurde 2017 auf Grundlage des vom Bayerischen Landtag verabschiedeten Pflegendenvereinigungsgesetz gegründet und hat unter anderem die Aufgabe, die Qualität der Pflege weiterzuentwickeln – sowohl im Interesse der Berufsgruppe als auch für die Versorgungssicherheit für die Menschen in Bayern. Dazu wirkt die VdPB an Gesetzgebungsverfahren mit und vertritt die Pflegenden in Gremien wie beispielsweise dem Landespflegeausschuss. Zudem berät sie ihre Mitglieder kostenlos in berufsrechtlichen, berufsethischen und fachlichen Fragen und engagiert sich für die Fort- und Weiterbildung der beruflich Pflegenden. Die VdPB ist außerdem die für die Registrierung der Praxisanleitungen in der Pflege und die Erfassung der Fortbildungsnachweise für Praxisanleitungen zuständige Behörde. Seit dem 01. Januar 2021 ist die VdPB auch zuständig für die Regelung der pflegerischen Weiterbildung nach AVPfleWoqG. Die Mitgliedschaft in der VdPB ist für professionell Pflegende freiwillig und kostenlos. Präsident der VdPB ist Georg Sigl-Lehner.
Krankenpfleger, Lehrer für Pflegeberufe, Leiter einer Pflegeeinrichtung in Altötting
Kinderkrankenpfleger, Stationsleiter Kinderchirurgie
in Augsburg
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