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Vorbehaltsaufgaben in der Pflege – Königsweg zu mehr Autonomie oder mehr Belastung für Pflegefachpersonen?

Neues Pflegeberufegesetz tritt am 1. Januar 2020 in Kraft / Schreibt erstmals Vorbehaltsaufgaben für Pflegefachpersonen gesetzlich fest / VdPB sieht Chance und Herausforderung zugleich

Nahaufnahme: Eine Krankenschwester legt am Patientenbett eine Infusion in den Arm eines Mannes.

München, 10.10.2019 – Die professionelle Pflege in Deutschland steht mit dem neuen Pflegeberufegesetz vor einem Paradigmenwechsel – vom 1. Januar 2020 an wird nicht mehr zwischen Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege unterschieden, sondern stattdessen generalistisch und damit nach einem umfassenderen Pflegeverständnis ausgebildet. Zugleich definiert das neue Gesetz erstmals Vorbehaltsaufgaben für staatlich geprüfte Pflegefachpersonen, Tätigkeiten also, die ab dann weder Ärzte noch Assistenz- oder Hilfskräfte übernehmen dürfen, sondern ausschließlich dreijährig oder akademisch ausgebildete Fachkräfte mit entsprechendem Abschluss. Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) sieht in den Vorbehaltsaufgaben die große Chance und Herausforderung, durch mehr Autonomie für Pflegefachpersonen die Attraktivität des Berufsbildes zu stärken. Gleichzeitig mahnt sie die Schließung von Gesetzlücken an und warnt davor, Strukturen und Voraussetzungen in Kliniken, Einrichtungen der Langzeitpflege und in der ambulanten Versorgung nicht rechtzeitig anzupassen.

„Seit 30 Jahren wird die gesetzliche Definition von Vorbehaltsaufgaben für die professionelle Pflege – in anderen Gesundheitsberufen längst eine Selbstverständlichkeit – bereits gefordert, und zum Jahresanfang 2020 ist es endlich so weit. Das ist für uns Pflegende ein großer Schritt, denn vorbehaltene Tätigkeiten tragen wesentlich zur notwendigen Professionalisierung bei. Ein übertragener Aufgabenbereich ist Kennzeichen einer eigenständigen Profession“, stellt Georg Sigl-Lehner, Präsident der VdPB, fest. Die VdPB begrüße, dass durch die gesetzliche Definition von Vorbehaltsaufgaben für Pflegefachpersonen die berufliche Pflege einen rechtlich abgesicherten Verantwortungszuwachs erfahre und aufgewertet werde. Auch die fachfremde Einflussnahme sei nun nicht mehr ohne Weiteres möglich, sodass der Grad der Selbstorganisation gefördert werde und Pflegende ihre Berufsausübung deutlich autonomer gestalten könnten – und auch müssten – als bislang.

Vom 1. Januar 2020 an werden Pflegefachpersonen folgende Aufgaben vorbehalten sein: die Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs, die Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses sowie dessen Evaluation und Analyse sowie die Sicherung und Entwicklung der Pflegequalität. Die Durchführung der Pflege gehört nicht zu den Vorbehaltsaufgaben, dementsprechend dürfen pflegerische Handlugen durchaus beispielsweise Pflegefachhelferinnen und -helfern übertragen werden. Von deren Eignung und fachlicher Qualifikation für die delegierte Tätigkeit muss sich die Pflegefachperson jedoch überzeugen, da sie die Gesamtverantwortung für die Steuerung des Pflegeprozesses trägt. Bei den Vorbehaltsaufgaben handelt es sich also keineswegs um von Ärzten übertragene heilkundliche Tätigkeiten, die jetzt in die Zuständigkeit der Pflege fallen sollen, sondern um eigenständige pflegerische Aufgaben. Es sei dennoch zu erwarten, dass es in den Hierarchien von Kliniken und Einrichtungen der Langzeitpflege und auch im ambulanten Bereich zu Problemen kommen könne, meint Sigl-Lehner: „Dass hier für die Pflegefachpersonen ein eigenständiger Entscheidungsraum und Kompetenzrahmen geschaffen wird, der auch rechtlich abgesichert ist, sollte natürlich schon im Vorfeld in den Prozessen abgebildet werden, sonst sind Konflikte vorprogrammiert. Auch die interprofessionellen Teams müssen darauf zugeschnitten werden.“ Für dringend klärungsbedürftig hält die VdPB außerdem die Frage, inwieweit die Vorbehaltsaufgaben uneingeschränkt für alle examinierten Pflegefachpersonen gelten werden oder ob sie den generalistisch ausgebildeten vorbehalten sind. Die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung sieht beispielsweise für den weiterhin möglichen Abschluss in der Altenpflege ausdrücklich ein niedrigeres Kompetenzniveau vor – mit Blick auf die Vorbehaltsaufgaben eine bemerkenswerte Diskrepanz, die sowohl haftungs- als auch berufsrechtliche Fragen aufwirft. Hier sieht die VdPB eine dringend zu schließende Gesetzeslücke.

Zudem, gibt der VdPB-Präsident zu bedenken, berge die gesetzliche Definition der Vorbehaltsaufgaben auch die Gefahr, dass bei gleicher Personalausstattung nur noch mehr Belastung auf die Pflegenden zukomme. „Eine ausreichende Personaldecke auf allen Kompetenzniveaus ist neben einer guten Vorbereitung der Strukturen in den Einrichtungen zwingend erforderlich, damit Pflegefachkräfte die Vorbehaltsaufgaben auch tatsächlich als Bereicherung ihres beruflichen Alltags verstehen können.“ Die VdPB hat bereits frühzeitig in einer erfolgreichen Fortbildungsveranstaltung über Chancen und Risiken der Vorbehaltsaufgaben informiert. Weitere Veranstaltungen zu dem Thema, aber auch zu den Herausforderungen, die das neue Pflegeberufegesetz für die Praxisanleitung mit sich bringt, sind derzeit in Planung.

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Georg Sigl-Lehner

Präsident der VdPB, Krankenpfleger, Lehrer für Pflegeberufe, Leiter einer Pflegeeinrichtung in Altötting

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Michael Wetterich

Kinderkrankenpfleger, Stationsleiter Kinderchirurgie
in Augsburg

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