Es war nicht das erste Mal, dass die VdPB in die Bayerische Vertretung in Berlin geladen hatte. Ging es vor etwas mehr als zwei Jahren noch um das für die Professionalisierung der Pflege so entscheidende Thema der Vorbehaltsaufgaben, galt das diesjährige Symposium der Zukunftsfrage für die berufliche Pflege schlechthin: Pflegepersonalbedarf – mit welchen Konzepten, politischen Maßnahmen, Beiträgen der Berufsgruppe und innovativen Ideen können sich die aktuellen Herausforderungen im Hinblick auf den allgegenwärtigen Mangel an Pflegefachpersonen und -assistenzkräften lösen lassen?
VdPB-Präsident Georg Sigl-Lehner begrüßte die Teilnehmenden des Symposiums mit einem Hinweis auf die Bedeutung der pflegerischen Selbstverwaltung für die Sicherung der Gesundheitsversorgung insgesamt. Nur selbstbestimmt und berufspolitisch engagiert aufgestellt könne die Berufsgruppe selbst den nicht nur perspektivisch dringend erforderlichen Beitrag leisten, um die eigene Profession zukunftssicher zu gestalten und damit der Verantwortung den zu versorgenden Menschen gegenüber gerecht zu werden. Dazu seien auch die Bereitstellung belastbarer Daten und Fakten wichtig. In Bayern hat das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) gemeinsam mit AGP Sozialforschung für das Jahr 2020 die aktuellsten Zahlen mit der von der VdPB beauftragten Monitoringstudie Pflegepersonalbedarf Bayern 2020 geliefert, die Prof. Dr. Michael Isfort vom DIP auch beim Symposium in Berlin noch einmal ausführlich vorstellte und als Schlussfolgerung deutlich machte: Wenn nicht auf regionaler und kommunaler Ebene deutlich gegengesteuert wird, außerdem die Bedingungen der Pflegeausbildung weiter entscheidend verbessert werden und die Arbeitsbedingungen für erfahrene Pflegekräfte einen fulminanten Veränderungsprozess erfahren, wird sich der Personalmangel deutlich verschärfen, wenn die Pflegenden der Boomer-Generation jetzt sukzessive in den Ruhestand gehen.
Prof. Dr. Frank Weidner (DIP) wies in seinem Impulsvortrag auf einen weiteren wichtigen Faktor hin: Ohne eine deutlich höhere Akademisierungsquote und einen erweiterten Qualifikationsmix unter Einbeziehung akademisch qualifizierter Pflegefachpersonen drohe eine fatale Deprofessionalsierung mit massiven Auswirkungen auf die Pflegequalität. Das Projekt „360° Pflege“, das die Robert Bosch Stiftung erarbeitet hat, bestätigt die erhofften Effekte einer höheren Akademisierungsquote und eines entsprechenden Qualifikationsmixes eindrücklich. Weidner warnte vor einer gegenläufigen und aktuell in der Langzeitpflege vielfach zu beobachtenden Deprofessionalisierung der Pflege, die am Ende auch den Personalmangel insgesamt nur verschärfe.
Auch die Pflegebeauftragte der Bundesregierung und SPD-Politikerin Claudia Moll erklärte im Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Klie, dass in der Akademisierung ein Schlüssel zur Lösung der Personalnot zu finden sei. Denn obgleich sie selbst aus ihrer langjährigen Tätigkeit als Altenpflegerin zahlreiche Problemfelder schon lange kenne, die Herausforderungen also nicht neu seien, hoffe sie auf innovative Ideen und Lösungsvorschläge der Pflegewissenschaft. Doch auch an die Pflegefachverbände und Selbstverwaltungen richtete sie den Appell, der hochkomplexen Lage ebenso verantwortungsbewusst wie aktiv zu begegnen.
Die pflegepraktische Seite des Problems Pflegepersonalmangel wurde auf dem VdPB-Symposium ebenfalls erörtert. Alexander Ebert, Pflegedienstleiter der Asklepios-Klinik in Lindenlohe, Bianca Jendrzej, Qualitäts- und Prozessmanagerin beim KWA Unterhaching, sowie Eva Faltner vom Mehrgenerationenhaus in Flintsbach am Inn diskutierten mit Agnes Kolbeck, VdPB-Vizepräsidentin und Pflegedienstleiterin einer Lungenfachklinik in Donaustauf, ihre alltäglichen Erfahrungen und den Umgang mit der Personalnot. Einig waren sie sich in der Überzeugung, dass wirksame Konzepte auf regionalen und kommunalen Strukturen aufbauen müssten, wenngleich auch länder- und bundespolitisch dringend veränderte Rahmenbedingungen initiiert werden müssen. An die Diskussion knüpfte das Impulsreferat von Dr. Helmut Hildebrandt aus Hamburg an, der eine patientenorientierte Gesundheitsversorgung auf Basis eines Public-Health-Ansatzes forderte – eine Lösungsmöglichkeit die ohne eine Stärkung regionaler und kommunaler Strukturen kaum denkbar ist, in der die Profession Pflege aber eine sehr wichtige Rolle einnimmt.
Dr. Klaus Schulenburg vom Bayerischen Landkreistag teilte im abschließenden Polittalk diese Auffassung und wünschte sich mehr pflegepolitische Verantwortung für die Kommunen, gab aber zu bedenken, dass nicht alle Verantwortlichen auf kommunaler Ebene ein Mehr an Kompetenzen – und damit unweigerlich auch ein Mehr an Aufgaben – tatsächlich begrüßen würden. VdPB-Mitglied und Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner drängte dennoch auf die Verlagerung von Steuerungsfunktionen auf die Kommunen, ohne eine stärkere Regionalisierung könne man den unterschiedlichen Bedürfnissen der Bevölkerung in der pflegerischen Versorgung nicht gerecht werden. In der politischen Abschlussdiskussion betonte dagegen Nadine Szepan, Abteilungsleiterin Pflege beim AOK-Bundesverband, erneut die Gefahr der drohenden Deprofessionalisierung in der Langzeitpflege und mahnte weitreichende Regelungen bei der Heilkundeübertragung an, die ihrer Ansicht nach nicht ausreichend gesetzlich ausgestaltet seien.
Das Fazit der Veranstaltung hatte Bayerns Staatsminister für Gesundheit und Pflege, Klaus Holetschek, schon in seiner Videobotschaft zu Beginn der Veranstaltung vorweggenommen: Ohne eine starke Pflege, ohne kompetent aufgestellte Selbstverwaltungsorgane und ohne konsequente Professionalisierung der Pflege wird es nicht gehen!
Krankenpfleger, Lehrer für Pflegeberufe, Leiter einer Pflegeeinrichtung in Altötting
Kinderkrankenpfleger, Stationsleiter Kinderchirurgie
in Augsburg
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